Neurodiversität ist ein Thema, was gegenwärtig eine größere mediale Rezeption erfährt. Dies trägt dazu bei, dass das allgemeine Interesse an der Thematik steigt und häufige Vorurteile überwunden werden. Phänomene, wie die von Medizinern als Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung und Autismus bezeichneten, werden gemeinsam mit der häufigeren „neurotypischen“/“normalen“/“befundlosen“ Gegebenheit in das Spektrum menschlicher neuronaler Ausstattungen eingeordnet und so als nicht krankhaft entstigmatisiert.
Unabhängig von dieser gesellschaftlich erfreulichen Entwicklung manifestieren sich jedoch auf der sozialen Achse Cluster von Menschen, die in ihrer Lebensführung für sie besonderen Herausforderungen ausgesetzt sind und die besondere Bedürfnisse haben, mit denen die statistische Mehrheit der Gesellschaft nicht konfrontiert ist. Diese Menschen unterstütze ich durch meine Arbeit und spreche hier von Neurodivergenz.
Unabhängig von der medizinischen Definition zeigen neurodivergente Menschen im Alltag eine Häufung folgender Besonderheiten:
- Neurodivergente Menschen sind eine Minderheit in der „neuromajoren“ Normalbevölkerung. Sie fallen aufgrund ihrer Besonderheiten stärker auf und werden entsprechend häufiger und intensiver wahrgenommen. Dadurch werden sie häufiger zum Gegenstand von Zuschreibungen.
- Werden diese Zuschreibungen kommuniziert, kommt es häufig bei neurodivergenten Menschen zu veränderten Annahmen über sich selbst: entweder seien sie „typisch [hier Eigenschaft einsetzen]“ oder sie hören „so bist du doch gar nicht“ oder „so … kannst du doch gar nicht sein, weil du doch das und das kannst“. Dies führt zu einer erhöhten Selbstaufmerksamkeit und häufig zu dem Gefühl, in Teilen oder vollständig abgelehnt zu werden.
- Aufgrund dieser Erfahrungen haben neurodivergente Menschen häufiger als andere das Gefühl, sich von anderen zu unterscheiden und einzig und allein anders zu sein als alle anderen. Auch haben sie weniger Kontakt zu Menschen, die so sind wie sie selbst. Dies erhöht Selbstzweifel und führt zu kompensatorischen Strategien.
- Es gibt häufig Konflikte zwischen der (teilweise unkommunizierten) Erwartungshaltung der Umwelt und dem Erleben und Empfinden der betroffenen Personen.
- Diese Konflikte zu beenden fällt einigen neurodivergenten Menschen schwer, da ihnen nicht klar nicht, welche Punkte das Gegenüber argumentativ vertritt und wie eigene Interessen gegenüber anderen nachhaltig durchgesetzt werden können.
- Einige neurodivergente Menschen haben Schwierigkeiten dabei, Emotionen und paraverbale Signale bei anderen Menschen zu erkennen, diese zu benennen und angemessen zu reagieren.
- Einige neurodivergente Menschen haben Schwierigkeiten dabei, eigene Emotionen und Bedürfnisse zu erkennen und angemessen mit ihnen umzugehen.
- Hyperfokus: Häufig gibt es Schwierigkeiten in Bezug auf das Beginnen und Beenden, sowie den Wechsel zwischen Aufgaben, den Umgang mit unvorhergesehenen Veränderungen.
Diese Besonderheiten ziehen sich durch eine Vielzahl von Lebensbereichen:
- Liebesbeziehungen: Entweder kommt keine zustande oder es gibt Partnerschaftskonflikte bezüglich z. B. emotionale Wechselseitigkeit, Ordnung, Hygiene, Zeitaufteilung, die auf gegenseitigem Unverständnis beruhen.
- Berufsleben: Stellenzuschnitte und -anforderungen kollidieren häufig mit den Bedürfnissen neurodivergenter Menschen und würdigen nicht deren spezielle Interessen.
- Soziale Kontakte: Reziprozität aufzubauen, kann Schwierigkeiten bereiten.
Mein Ziel ist es, neurodivergente Menschen in ihren Anliegen zu unterstützen. Eine systemischer Differenzierung und Individuation beruht nach meinem Verständnis primär auf Selbsterfahrung und wird im Rahmen der systemischen Beratung unter Berücksichtigung der folgenden Qualitätsmerkmale realisiert:
- Anliegen formulieren: Planung des Anliegens in einem umsetzbaren Plan
- Problemaktualisierung: Herstellen der Situation in einem geschützten Rahmen, Tipps und Tricks, Austausch mit anderen Betroffenen
- Erfolgskontrolle durch Messung